12. März 2019

Die Zehn-Jahres-Frist bei der Immobilienschenkung

Dresden (ots) – Jedes Jahr werden in Deutschland mehrere Tausend
Grundstücke durch Schenkungen übertragen. Die Gründe hierfür sind
vielfältig. So kann die Übertragung die Basis für den Hausbau der
Kinder sein. Mancher will sich aber auch von der Last der
Bewirtschaftung befreien. In anderen Fällen wiederum sollen der
künftige Nachlass möglichst gering gehalten oder steuerliche
Freibeträge umfassend ausgenutzt werden. Stets kommt man im
notariellen Vorgespräch auf die berühmten „zehn Jahre“ zu sprechen,
denn diese Frist spielt bei der Schenkung von Immobilien an vielen
Stellen eine wichtige Rolle. Aber Achtung: Ob und wann die Frist
beginnt, kann von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet unterschiedlich sein.

Verschenkt, verarmt und nun? – Der Sozialhilferegress

„Geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen. Dieser Spruch
aus Kindheitstagen lässt sich nicht auf das Recht übertragen“,
erläutert Geschäftsführer Manuel Kahlisch von der Notarkammer
Sachsen. Gerade wenn ein Schenker plötzlich auf Sozialleistungen
angewiesen ist, etwa weil Einkünfte und Vermögen für die Finanzierung
eines Pflegeplatzes nicht mehr ausreichen, stehen schnell Schenkungen
aus den letzten Jahren im Fokus. Denn das Gesetz gibt dem Schenker
ein Rückforderungsrecht hinsichtlich des geschenkten Gegenstandes,
wenn der Schenker plötzlich nicht mehr in der Lage ist, sich selbst
zu unterhalten oder seinen Unterhaltspflichten nachzukommen.

Bei Schenkungen innerhalb der Familie wird diese Rückforderung aus
familiären Gründen häufig nicht geltend gemacht. Dazu besteht auch
keine Verpflichtung. Manuel Kahlisch weist aber auf die Möglichkeiten
eines Übergangs des Rückforderungsanspruchs auf staatliche Stellen
hin: „Soweit ein Sozialhilfeträger später Leistungen an den Schenker
erbringt, kann er den Rückforderungsanspruch auf sich überleiten.“
Die Schenkung und die spätere Bedürftigkeit sollen nicht zu Lasten
der Allgemeinheit gehen, denn prinzipiell muss sich jeder zunächst
selbst helfen. Mit der Überleitung ist der Sozialhilfeträger der neue
Gläubiger des Rückforderungsanspruchs. Er allein entscheidet über
dessen Geltendmachung. Auch wenn der Schenker es nicht will, muss der
Beschenkte dann Rückforderungen befürchten. In der Praxis bedeutet
dies aber regelmäßig nicht die Herausgabe der Immobilie. Vielmehr
wird häufig eine monatliche Geldzahlung im Umfang der
Finanzierungslücke geleistet. Die Zahlung ist dabei insgesamt auf die
Höhe des Schenkwertes begrenzt.

Tritt die Verarmung jedoch erst zehn Jahre nach der Leistung des
geschenkten Gegenstandes ein, ist die Rückforderung ausgeschlossen.
Geschäftsführer Manuel Kahlisch von der Notarkammer Sachsen erläutert
insoweit: „Maßgeblich für den Zeitpunkt ist der Tag, an dem nach
Abschluss der Verträge der Antrag auf Eigentumsumschreibung beim
Grundbuchamt gestellt ist. Ob und in welchem Umfang dem Schenker noch
Nutzungsrechte am Grundstück zustehen, ist für diese Frist
unbedeutend.“

Ich schenke mich arm! – Und was ist mit dem Kind aus erster Ehe?

Das Recht garantiert Ehegatten, Kindern und unter Umständen sogar
den Eltern eine Mindestbeteiligung am Vermögen des Verstorbenen. „Das
Gesetz löst dies über einen Anspruch auf Geldzahlung gegenüber den
Erben, den sogenannten Pflichtteilsanspruch. Die Höhe der Zahlung ist
abhängig vom Wert des hinterlassenen Vermögens und der Erbquote, die
einem kraft Gesetzes zugestanden hätte“, erläutert Manuel Kahlisch
von der Notarkammer Sachsen und führt weiter aus: „Doch kurz vor dem
Tod alles zu verschenken, das geht nicht. Hier hat der Gesetzgeber
Mechanismen zum Schutz der Pflichtteilsberechtigten eingebaut.“

Durch die Schenkung wird der Nachlass geringer, was auch zu einer
Reduzierung des Pflichtteilsanspruchs führt. Das Gesetz sieht daher
zusätzlich einen Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils vor. Dabei
wird der Wert des verschenkten Gegenstandes dem Nachlass fiktiv
hinzugerechnet. Von Bedeutung sind alle Schenkungen innerhalb der
letzten zehn Jahre vor dem Erbfall. Maßgeblich für die Frist ist die
Eigentumsumschreibung im Grundbuch.

Allerdings wird der Schenkwert nur im ersten Jahr nach dem Tod in
voller Höhe berücksichtigt. Danach schmilzt er jedes Jahr um 10
Prozent ab. Zu beachten ist aber, dass die Frist nach der
Rechtsprechung überhaupt nicht zu laufen beginnt, wenn sich der
Schenker noch umfangreiche Rechte an der Immobilie vorbehalten hat.
In diesem Fall wurde das Eigentum nur formal aus den Händen gegeben,
während die eigentliche Nutzungsmöglichkeit beim Schenker verbleibt.

Folgen für die Schenkungsteuer

Die Zehn-Jahres-Frist ist auch für das Steuerrecht von Bedeutung.
Liegen zwischen der Übertragung der Immobilie und einer weiteren
Schenkung oder Erbschaft mehr als zehn Jahre, so können persönliche
Steuerfreibeträge mehrfach ausgenutzt werden. Für den Beginn des
Fristlaufs kommt es nicht auf die Eigentumsumschreibung an, auch der
Antrag muss noch nicht gestellt sein. Vielmehr genügt es, wenn sich
die Parteien über den Eigentumswechsel geeinigt und die formalen
Bewilligungen erklärt haben.

Pressekontakt:
Herr Manuel Kahlisch von der Notarkammer Sachsen,
Telefon: 0351 807270, notarkammer@notarkammer-sachsen.de
Herr Benedikt Mack von der Landesnotarkammer Bayern
Frau Dr. Sarah Nietner von der Hamburgischen Notarkammer
Herr Dr. Carsten Lindner von der Rheinischen Notarkammer
Frau Nadine de Decker von der Notarkammer Koblenz
Herr Dr. Carsten Walter von der Notarkammer Baden-Württemberg
Herr Dominik Hüren von der Bundesnotarkammer
Herr Dr. Thomas Raff von der Notarkammer Pfalz

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